satirische Betrachtungen zu urbanen Themen

TOP 5 Pissecken in Braunschweig

/ von Georg Jahnsen

Die moderne Dienstleistungs- und Servicestadt bietet Befriedigung für vielerlei Wünsche. Man kann sich die Brustwarzen durchstechen lassen, Weihnachtsmänner aus grünem Samt erwerben oder auch einfach nur schön irgendwo was "mit Scharf" essen.

Wie sieht es aber mit den einfachen und doch essentiellen Bedürfnissen aus, die auch den modernen Menschen (noch) plagen: austreten, eine Stange Wasser abstellen, das Rohr entleeren, die innere Flasche belüften...?

Gegen Bezahlung läßt es sich famos pinkeln: für 1 Euro 60 etwa, kann man im Bahnhof Berlin Friedrichstraße gegen eine in sphärischem Blau hinterleuchtete, transluzente Glasscheibe urinieren. Dazu gibt es klassische Musik und Vogelgezwitscher. Auf dem Herrenklo der Kantine vom Strabag Gebäude in der Wiener Donau City öffnet man seine Hose vor einer Glasscheibe, die bis zum Boden reicht, und präsentiert aus dem 13. Stock der Welt sein bestes Stück. Schließlich gilt: "das Auge pisst mit" (Tom). Ein modernes Pinkelraumschiff bietet auf dem Braunschweiger Kohlmarkt Zuflucht für gut betuchte PinklerInnen. Grenzenlose Möglichkeiten also in der Welt des Bezahl-Urinierens.

Doch auch für den komplett leeren Geldbeutel des vom Harndrang Geplagten hat eine gute Stadt was zu bieten: die öffentliche Toilette
Pissecke. Die Stadt Braunschweig zum Beispiel bestreitet den Weg des konsequenten innerstädtischen Überall-Pinkelns in den letzten Jahren eindrucksvoll: die z.T. gusseisernen öffentlichen Toilettenhäuschen wurden schrittweise abgebaut und aus dem Stadtbild entfernt. Die Braunschweigerinnen und Braunschweiger haben verstanden; schnell wurden neue innerstädtische Nischen für die Blasenentleerung gefunden. Damit genießt Braunschweig inzwischen nicht nur unter Insidern als "Stadt der kurzen Pinkelwege" regelrechten Kultstatus.

Da es den "kleinen Braunschweiger Pinkelführer" noch nicht gibt und auch entsprechende Einträge im Falck Plan fehlen, hier eine Auswahl der TOP fünf beliebtesten Braunschweiger Pissecken mit den dazugehörigen Google-Maps Links. (z.B. fürs mobile Internet-/Navigationsgerät). 


TOP 5 Johannes-Selenka-Platz 
Typ: versteckt und doch sicher
Beschreibung: Sechs Heckennischen bieten Sichtschutz und eine gemütliche Laubenatmosphäre v.a. zur nächtlichen Stunde. Die Platzoberfläche aus grobem Kies hat eine gute Versickerungsfähigkeit. Die umliegende Wohnbebauung und die gute Ausleuchtung des restlichen Platzes sorgen für ein positives Sicherheitsempfinden. Hier pinkelt auch die Dame gerne.


TOP 4 Alte Stadtmauer - Prinzenweg Ecke Gieseler 
Typ: szenenah mit historischem Ambiente 
Beschreibung: Die Toiletten im "Merz" sind überfüllt und Du hast Lust auf frische Luft? Dann geh´pinkeln, wo auch Urgroßvaters Großväter schon gepinkelt haben. Gegenüber von Braunschweigs Szene -Clubs und -Kneipen nimmt die Alte Stadtmauer den Ansturm der austretenden Jugend gelassen. Die Kanonenkugeln und Hochwasser der vergangenen Jahrhunderte haben da größere Schäden angerichtet.


TOP 3 Südstraße diverse Hauseingänge 
Typ: szenenah
Beschreibung: Die Nordseite der Braunschweiger Südstraße hat die Top-Lokalitäten zum günstigen Preis für den durstigen Szene-Besucher. Gleich gegenüber findet sich Erleichterung vom Harndrang in zahlreichen unbeleuchteten Hofeinfahrten. Auf sinnfällige Weise überlagern sich in der Straßenmitte die Gerüche von billigem Schnaps mit Urin und geben so dem Quartier eine individuelle Note.



TOP 2 Einkaufszentrum Schlossarkaden 
Typ: zentrumsnah mit historischem Ambiente
Beschreibung: Neben der unbeleuchteten Treppenanlage zum Kulturamt am Ritterbrunnen Platz findet der vom Einkaufsstress und Konsumterror geplagte Mensch Ruhe und Blasenentlastung: der historisch anmutenden und doch top modernen Hightech-Fassade ist die Besprenkelung mit der aggressiven Flüssigkeit zuzumuten. Die beiden Reiter wenden sich dezent ab und Blicken in Richtung Innenstadt. Da kommt sogar der Paruresis-Patient zum Wasserlassen.


Sieger in der Kategorie "Premiumpissecken".




TOP 1 Leopold Straße Ecke Bruchtorwall 
Typ: für Kenner
Beschreibung: In extrovertierter Ecklage gegenüber dem "Tegtmeier" und "Office am Wall" trifft in den Morgenstunden die Braunschweiger Szene beifällig auf die arbeitende Bevölkerung: der schichtübergreifende morgendliche Gruß fällt mit dem Lümmel in der Hand und den Schuhen in der eigenen Urinlache entsprechend locker aus. Der Putz an der Hausecke ist inzwischen buchstäblich "von der Wand gelullert".



Fotos: Immo Junghärtchen  .  Fotoalbum "El Urinal Braunschweig"



Nachtrag 20. April 2010: 
Hier wird lediglich beschrieben, wo oft im Stadtraum gepinkelt wird; das Pinkeln an diesen Stellen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Es wird daher ausdrücklich davon abgeraten, diese Stellen zum Austreten zu nutzen.
Nachtrag 22. April 2010:
Das schöne Pinkelrondell am Theater steht wieder und kann genutzt werden! Danke Braunschweig.
Nachtrag 27.April 2010:
Die Braunschweiger Zeitung bringt einen Artikel zu "Wildpinklern", die in der Innenstadt am vergangenen Wochenende durch einen Ordnungs- und Polizeieinsatz zu Bussgeldern verurteilt wurden. Der Artikel verschweigt die eigentliche Problematik: zu wenig öffentliche Toiletten im Innenstadtbereich.

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